013
018
aussageverweigerung/gegendarstellung
zwei kontra-kontexte für doppelquartett (1981)
(refusal to testify/contradictory presentation
two contra-contexts for double-quartet)
for clarinet, baritone saxophone, double bass and piano/
bass clarinet, tenor saxophone, violoncello and piano
duration: 12'
premiere: boswil 1982
peermusic
language refers to the status quo as much as to that which is beyond it; we cannot transcend language, our avenues of communication, or our social context; at least not directly, not without society.
putative self-defense or pre-emptive strike might well reflect one’s own thoughts and those of the other simultaneously; but not with the intent of harmonizing one’s own stance with that of the stranger through amicable negation, but rather positively, as unmediated self-preservation.
such projections of the enemy-as-bogeyman seek to resist external interpretation, which they dread as an attack upon their own consolidated standpoint, rather than welcoming it as a chance at self-renewal. they do not tolerate the context of the actual adversary nor do they wish to act as context themselves; they rather seek, in pre-dialectical fashion, to be text and context at once, such that each is tautological; they refuse to testify and thus their interrelation with the other remains forced.
a language that has devolved into mere counter-representation loses its individual qualities and forms, those which would come to independent fruition only where true communication succeeds, beyond their willful differences; reciprocal contra-contexts, whose structure this music attempts to reflect, appear, to the outside onlooker, nearly identical.
mathias spahlinger, trans. philipp blume
028
furioso (1991)
for 14 players with 23 instruments
duration: 20'
premiere: witten 1992
breitkopf & härtel
first citizen: our wives and children are crying for
bread, and we’re going to feed them with the flesh of the
aristocrats. death to anyone with no hole in his coat!
all: death, death!
first citizen: what is the law?
robespierre: the will of the people.
first citizen: well, we’re the people. and our will is
that there shouldn’t be any law. ergo, our will is the law,
ergo, in the name of the law there is no law. ergo, death!
(georg buchner, danton’s death)
universal freedom can thus produce neither a positive
work nor a positive deed, and there remains for it only
the negative act. it is solely the fury of disappearing.
(hegel, the phenomenology of spirit)
the ensemble is conceived as open, as in flux, the musicians and instrumental tones as coming and going. ideally, if the procedure wouldn’t be too obtrusive and apt to distract from the music, the musicians, each at their own tempo could be drawn across the stage on podiums on wheels, so that they would appear with the first note and disappear with the last—apart from the violoncello, which must be silently present and apart from the piccolo, which can be heard in part IIa, but which should also be visible in IIb. the work is dedicated to cornelius schwehr.
mathias spahlinger, trans. philipp blume
030
vorschläge
konzepte zur ver(über)flüssigung der funktion des komponisten (1992)
(concepts for making (super)fluous the function of the composer)
duration: variable
premiere: berlin 1993
universal edition
vorüberlegungen
auf die vorschläge folgen die hauptnoten. besser noch, die unterscheidung zwischen haupt- und nebengedanken, rede, nachvollzug und gegenrede wäre allenthalber "temporär und gradweise" (hölderlin), mithin durchschaubar, austauschbar, aufhebbar.
diese konzepte möchten etwas beitragen zur verallgemeinerung des einstweilen einseitigen rechts, sich etwas einfallen zu lassen. bei deren ausarbeitung habe ich mich von einigen vorüberlegungen leiten lassen, die ich mitteilen will, um sie zur diskussion zu stellen und um offenzulegen, daß meine vorschläge keineswegs immer allen meinen eigenen forderungen genügen. damit ist zugleich die richtung angedeutet, in die ich mir vorstelle, daß gedanken dieser art weiterentwickelt werden könnten:
diejenigen spielregeln sind die besten (und am schwersten zu formulieren) die nach vorne offen sind, ihre reflexion erheischen oder voraussetzen, in denen ihre selbstaufhebung, ihre verflüssigung und verüberflüssigung angelegt ist. spielregeln für musik, seien sie vom komponisten als anregung vorgegeben oder aufgrund von oder ohne eine anregung gemeinsam entwickelt, sollten nicht am resultat orientiert sein, nichts haben von strikt zu befolgender verkehrsordnung, sondern in jedem augenblick ihrer ausführung zur disposition stehen. die regel soll beeinflußbar, veränderbar, ja abschaffbar sein und es kann, auch wenn ihre geltung erhalten bleibt, gegen sie verstoßen werden; es wird sich zeigen, daß ein gezielter regelverstoß mehr wahrheit ans licht bringt, als eine regel jemals haben kann. oder andere, nicht vorformulierte gesetzmäßigkeiten sollen durch proben- oder ad-hoc-entscheidungen überhaupt erst entstehen, wogegen, zum besseren des ganzen, wiederum einspruch, widerspruch möglich und erwünscht ist. was diese musik darstellt, ausdrückt, ist, bestimmen die ausführenden und zwar jeder von ihnen.
entscheidungen fordern sachverstand. sie wollen so abverlangt sein, daß sie auf jeder stufe der bildung möglich sind. praktiziert und geübt wird die künstlerische kompetenz vor der spezifisch musikalischen, die musikalische vor der instrumentalen oder der handwerklichen, die immer an ein relativ fixiertes regelwerk gebunden ist. nebenbei bemerkt soll die ästhetische entscheidungsfreiheit auch nicht durch gesellschafts-spielregeln zurückgepfiffen werden. es geht um musik. nur wo soziale prozesse nahezu unmittelbar klangliche sind, dürfen sie in den vordergrund treten.
pädagogik und didaktik haben in der regel lernziele. und es ist dem, der etwas weitergeben möchte, unendlich schwer, besserwisserei zu vermeiden. sie ist das gegenteil von ästhetischer erfahrung. ich habe versucht, nur solche konzepte aufzuschreiben, an deren realisierung ich selbst gerne mitarbeiten würde.
das alt-griechische wort schule heißt auch: muße, freie zeit, (philosophische und gelehrte) gespräche; und langsamkeit, verzug, müßiggang, saumseligkeit. hierin steckt das schwer zu ertragende privileg, von der sogenannten nützlichen arbeit freigestellt zu sein und die erfahrung, daß die lernenden, denkenden, musizierenden dem ziel am nächsten kommen, wenn sie es nicht vor augen haben.
absichtslosigkeit, wie sie die ausführung dieser konzepte braucht, ist mit passivität oder fatalismus nicht zu verwechseln; sie war schon immer eine künstlerische und denkerische tugend und sollte eine soziale sein. gegenwärtig scheinen die chancen nicht groß, daß in absehbarer zeit der wille jeder/s einzelnen, ihre/seine wünsche und träume richtig und wahr werden. ein selbstbeobachtendes, auch kritisches verhältnis zum eigenen willen, zu dem seinen und zu den seinen zu kommen, ohne sich durchzusetzen, will geübt sein. fangen wir ruhig damit an, obwohl und weil es vielleicht zu spät ist. wir werden sehen, wie hölderlin sagte, daß der freiere auch der innigere zusammenhang ist.
____________________
die vorschläge können in jeder beliebigen auswahl, reihenfolge und kombination, auch synchron, ausgeführt werden. einzelne konzepte können betsandteile von anderen sein oder andere beinhalten. insbesondere jede form der variantenbildung und weiterentwicklung ist erwünscht.
033
off (1993/2011)
for six snare drums
self-publishing
"off" für sechs kleine trommeln hat ein form-konzept nach art eines stadtplans. es wird, wenn es vollständig komponiert sein wird, etwa knapp zwei stunden aufführungsmaterial umfassen, das aber nie als ganzes gespielt werden soll. verschieden lange abschnitte von rhythmischer modulation, tempo- und zeitkomposition mit variablen anfängen und schlüssen oder auch ein- und aus- und umsteigestellen darin, werden untereinander nach bestimmten regeln kombinierbar sein. eine erste version wurde 1993 in zürich uraufgeführt. sie befasste sich vor allem auch mit dem phänomen des raumrhythmus: in der summe durchgehende achtelnoten, die erst durch die verteilung auf sechs musiker im raum wechselnde rhythmisch-metrische gestalten ausbilden.
auf anregung von christoph brunner habe ich nun (2011) das material auf ungefähr das doppelte (ca. 20') erweitert und zu einer kombinierten version verarbeitet.
takt, metrum rhythmus und tempo haben sich in der bisherigen, "tonalen" musik gegenseitig konstituiert. seit von Neuer musik mit recht gesprochen werden kannn, können diese eigenschaften, wie übrigens auch der nicht takt-metrisch gebundene 1:1-puls, getrennt voneinander auftreten. aus diesem themenkreis sind in dem material von 2011 hinzugekommen von allem drei musikalische denkmodelle: 1.) in der summe gleichbleibende rhythmische muster, die durch uminstrumentierung verändert werden oder sich zu verändern scheinen. 2.) der einfluss von artikulation (mit dem jazzbesen gewischt oder geschlagen) auf den metrischen sinn, den wir beim hören unterstellen. 3.) traditionelle, schulmäßige schlagfiguren (paradiddle in allen denkbaren kombinationen) und die, trotz perfekter gleichmäßigkeit darin wirksame "energetik" und körperartikulation.
033.01 version 1993
duration: 8'
premiere: zurich 1993
033.02 version 2011
duration: 26'
premiere: malleray-bévilard 2011
035
Über den frühen Tod Fräuleins Anna Augusta Marggräfin zu Baden (1995)
(On the Untimely Death of Miss Anna Augusta, Marchioness of Baden)
for 5 male voices, 5 trombones, 3 female voices, clarinet and trumpet
duration: 14'30
premiere: stuttgart 1995
peermusic
georg rudolf weckherlin (1584-1653)
Vber den frühen tod Fräwleins Anna Augusta Marggräfin zu Baden
DEin leben
dessen end vns plaget
War wie ein tag schön und nit lang
Ein stern vor des morgens aufgang
Die Röhtin wehrend weil es taget
Ein seufz auß einer edlen brust
Ein klag aus lieb nicht aus vnlust
Ein nebel den die sonn verjaget.
Ein staub der mit dem wind entstehet
Ein Daw in des Sommers anbruch
Ein luft mit lieblichem geruch
Ein schnee der frühlingszeit abgehet
Ein blum die frisch vnd welck zugleich
Ein regenbog von farben reich
Ein zweig welchen der wind vmbwehet.
Ein schaur in Sommers-zeit vergossen
Ein eiß an haissem Sonnenschein
Ein glaß also brüchig als rein
Ein wasser über nacht verflossen
Ein plitz zumahl geschwind und hell
Ein strahl schiessend herab gar schnell
Ein gelächter mit laid beschlossen.
Ein stim die lieblich dahin fähret
Ein widerhall der stim in eyl
Ein zeit vertriben mit kurtzweil
Ein traum der mit dem schlaf aufhöret
Ein flug des vogels mit begihr
Ein schat wan die Sonn sticht herfür
Ein rauch welchen der wind zustöret.
Also dein leben (schnell verflogen)
Hat sich nicht anderst dan ein Tag
Stern, morgenröht, seufz, nebel, klag,
Staub, daw, luft, schnee, blum, regenbogen,
Zweig, schaur, eiß, glaß, plitz, wasserfall,
Strahl, gelächter, stim, widerhall,
Zeit, traum, flug
Schat vnd rauch verzogen.
038
farben der frühe (2005)
(colors of dawn)
for seven pianos
duration: 53'
premiere: stuttgart 2005
peermusic
die idee, für eine große zahl von klavieren zu schreiben und nur tonhöhen zu verwenden, die konventionell erzeugt, also auf tasten gespielt werden, folgt dem bedürfnis, in bezug auf eine der zentralen eigenschaften der neuen musik, die farbe, sozusagen die reset-taste zu drücken, einmal nur die dezentere buntheit der schwarz/weiß/grau-tönungen zuzulassen, die aus tonhöhen-, lautstärken- und dichteverhältnissen als abhängige variable hervorgehen, nicht selbst eigenständige charaktere sind – wie etwa die identifizierbaren instrumentalfarben.
lässt sich, was wesentlich neu ist an der neuen musik, beschreiben als die prinzipielle veränderung des verhältnisses der teile zum ganzen – keine verdinglichung, gegenstandsähnlichkeit soll sein, kein geschlossenes werk - dann sind klangfarbe und geräusch, die anarchischen eigenschaften, sozusagen unmittelbar neue musik. denn die anderen, "klassischen" parameter sind eindimensional (linear veränderbar, also systematisierbar, skalierbar, beherrschbar), die klangfarben dagegen sind n-dimensional, in alle richtungen variabel, nirgendwo abschlusshaft, wie die neue musik selbst.
mir kam es darauf an, den gedanken durchzuführen, dass diese prinzipielle offenheit (die prinzipienlosigkeit) nicht notwendig an die unendliche fülle des scheinbar verschiedenen gebunden ist.
sechs stücke, deutlich unterschiedlich in dauer und charakter. auch in möglichst unterschiedlicher weise voneinander getrennt: durch komma mit fermate (zwischen 1 und 2), durch plötzlichen charakterwechsel und reduktion auf einen einzelnen ton aber attacca (2 – 3), durch eine ausgiebige pause (3 – 4), durch kaum merkliche prinzipienwechsel mit qualitativem sprung (4 – 5) und, nach 5maliger coda, durch eine nach dauer und charakter gewöhnliche satzpause: unterbrechung der musikalischen zeit.
1.) knapp 6 minuten. vierfache entflechtung, viermal der gleiche ganz einfache prozess, aber keine simulation von kausalzusammenhang: punktefelder ohne figuration (bis auf den allerersten anfang, wo es vielleicht noch reste davon gibt), nicht-gestalthaftes, das der gestaltenden wahrnehmung exponiert wird; punktefelder also, der ganze ambitus des klaviers, entwickeln sich von größerer zu geringerer dichte, vier verschiedene gesamtdauern, willkürliche an- und abschnitte (willkürlich heißt, es gibt keine qualitativen anfänge und schlüsse, jeder dichtegrad könnte noch dichter sein, jede entflechtung könnte unendlich fortgesetzt werden). vier verschiedene ausgangs- und endsituationen. bisweilen wird die zahl der eigenschaften noch mehr reduziert: gleiche dauern für alle etwa oder ein allen gemeinsames crecendo mit gelegentlichen ausnahmen.
2.) etwas über 2 minuten. atonale akkorde sind akkorde und doch nicht: sie haben keine formale implikation, sie können überallhin gehen, jeder kann anfangs- oder schlussakkord sein. ihre abfolge ist nicht syntaktisch, daher umkehrbar. sie werden auf grund der simultaneität wie gestalten aufgefasst und sind doch keine: sie sind nie vollständig, daher nie verkürzt. sie können im tonhöhenraum und in der zeit in mehrere gespalten, aus mehreren verschmolzen werden. es gibt keine definierten typen von atonalen akkorden, deshalb sind sie nicht modifizierbar; sie enthalten keine alterationen oder vorhalte. sie sind nicht auflösungsbedürftig. sie sind metrisch neutral. darum eigenen sie sich (wie hier) zum ametrischen 1:1–puls und zur rhythmisch-metrischen modulation.
3.) fast 10 minuten. eine studie über reonanzen und eine verneigung vor dem immensen und unbestechlichen handwerklichen wissen und können von generationen von klavierbauern, das in diesem wunderding konzertflügel materialisiert ist.
die ersten drei viertel des stückes beschäftigen sich ausschließlich mit dem ton des in der großen oktav. unterschiedliche lautstärken, pedalisierungen, anschlagsarten, repetitions-tempi, überlagerungen, akzentuierungen, raum-wirkungen. das letzte viertel dann setzt vielstimmige akkorde und stumm gedrückte tasten in ein verhältnis, aus dem unmöglich erkannt werden können soll, dass diese das ("harmonische") resultat von jenen sind.
4.) 6¼ minuten. das verhältnis von regel zur abweichung ist in traditioneller musik weitgehend gleichzusetzen dem von konvention zum verstoß gegen diese. in der neuen musik ist auch dieses verhältis quantifiziert.
einige töne einer tonleiter abwärts in achtelnoten, immer wieder, räumlich von links nach rechts auf die klaviere verteilt. von anfang an gibt es "fehler": falsche töne, es bleibt unklar, welche tonleiter die richtige ist. weniger oder mehr tonhöhen als klaviere, als tonorte, also verdopplungen oder sprünge im raum. dauern, die kürzer oder länger sind, also unregelmäßigkeiten, stolpern. töne, die liegen bleiben. töne werden oktaviert, je mehr, desto eher wird aus der abwärtsbewegung in schritten eine aufwärtsbewegung in sprüngen. überhaupt ausweitung des ambitus. bald sind es auch in die "richtige" richtung keine leitern mehr. alle stufen können gleichzeitig erklingen: simultandiatonische akkorde. schritte im raum ohne tonhöhenschritte. die phrasenlänge und die raumverteilung stimmen nicht mehr überein: der höchste ton ist nicht mehr beim ersten klavier, der tiefste nicht mehr beim siebenten. und so weiter und so fort.
schließlich abwärtsbewegung von akkorden von links nach rechts, die immer schneller wird, sich einem gemeinsamen arpeggio annähert, von länger werdenden pausen unterbrochen: dies ist zugleich der übergang zum nächsten stück, beschleunigung (des arpeggios) und verlangsamung zugleich, die anschlags-zeitpunkte liegen immer weiter auseinander, bis das anfangstempo erreicht ist von
5.) 16½ minuten. der erste akkord (ppppp) ist sozusagen das zusammengefallene arpeggio des schlusses von 4. als anfang von 5 ist er die einzige simultaneität des stückes für alle. denn ab sofort hat jedes klavier sein eigenes tempo, sein eigenes accelerando (dirigiert werden die sekunden), zunächst von tempo 12 bis 84 anschläge pro minute. dieses tempo wird, wegen der unterschiedlichen steilheit der accelerandi zu unterschiedlichen zeitpunkten erreicht, zwischen 6'11" und 7'41". dann beginnt ein ritardando, das für alle bis 8'47" dauert, die erreichten tempi sind zwischen 32 und 58 anschlägen pro minute. dann beginnt ein accelerando bis ungefähr 8 anschläge pro sekunde am ende des stückes bei 13'11".
die tempoveränderungen sind bis auf die 100stel sekunde genau errechnet, das ist ein wert, der sich noch in rhythmussymbolen (als triolen, 5tolen 7tolen etc.) darstellen, spielen und auch hören lässt. höhere genauigkeit auf dem papier wäre unrealisierbar und würde zu ungewollten gleichzeitgkeiten führen. simultaneität soll es aber in diesem stück, außer am allerersten anfang, nicht geben; vielmehr wird der eindruck angestrebt, dass alle 7 klaviere bis zum schluss ihr jeweils eigenes tempo durchhalten. so bot sich für das ende die folgende lösung geradezu von selbst an: alle anschläge, die auf die 100stel sekunde genau übereinstimmen, werden in den beiden (oder mehr) betreffenden klavieren als pause dargestellt. da mit zunehmendem tempo immer mehr gleichzeitige anschläge vorkommen, treten immer längere pausen auf, die immer schnellere anschläge unterbrechen, bis alle anschläge mit anderen zusammentreffen, also ausschließlich pausen resultieren.
daran schließen sich fünf code an, die, unter unterschiedlichen konkreten bedingungen und verschieden lang, die entwicklung von sehr langsam bis so schnell wie möglich bzw. äußerst dicht wiederholen.
6.) 4¼ minuten. neun abschnitte unterschiedlicher länge; die proportionen beruhen auf primzahlen, gehen also nicht ineinander auf. sehr unterschiedliche charaktere, zitate sind darunter. für die dauer eines jeden abschnittes liegt je ein anderer dauerton oder ein zweistimmiger akkord, meistens im dritten pedal. durch acht verschiedene lautstärken ist dies von sehr unterschiedlicher deutlichkeit. diese langen töne sind keineswegs harmonische grundlage. die verbindung zwischen ihnen ist sozusagen a-melodisch, es gibt nur chromatische oder tritonus-beziehungen, die oktavlagen und oktavverdoppelungen wechseln immer. alles in allem mehr ausdrückliche trennung als verbindung oder besser: die einheit von disjunktion und konjunktion.
039
verlorener weg (1999/2000)
(lost way)
for ensemble
version 1: 17'
version 2: 19'
premiere: köln 2000
peermusic
the title ‘verlorener weg’ ("lost way") was inspired by the name of a street in freiburg in breisgau, the picturesque black forest city where spahlinger held his composition professorship. the work encapsulates one of many strategies by which spahlinger strives to stay true to an aspect of ‘new music’ that is essential to its definition: the lack of intrinsic teleology. the materials of the work are conceived in such a way that any one of them can be followed by any other. the age-old question of ‘open form’ is hereby invoked anew. it is "a recurring problem, since the material of new music has no formal implications, it has no desire to go anywhere, as for example a fugue theme might." fundamentally, the work consists of a collection of 13 different sound situations, and each realization-in-score of the work traverses a different path through these, thereby highlighting their varying characteristics from new perspectives. to go from one sound type to another requires, for any given pair of types, a unique transition strategy. spahlinger decided that the best way to illustrate this state of affairs was to present two realizations, which both had to be presented in the same concert. it is certainly possible to create further versions from the basic building blocks – if not on paper, then in the listener’s imagination.
philipp blume
040
fugitive beauté (2006)
(fleeting beauty)
for oboe, alto flute and violin, bass clarinet, viola and violoncello
duration: 17'
premiere: witten 2006
peermusic
the title is from a poem "to one, who passed by" from charles baudelaire’s "the flowers of evil", a poem which is often quoted (also unconsciously), with a preference for the image "a flash.... then the night" or "suffering, the intoxicated" und "delight, that kills" or the closing lines "I would have loved you and you knew it!" – quotations, which run through cultural history like formulae for conspiracy, which evoke a quantitative leap, the birth of modernity through the spirit of expressive breaking of tabus. this piece is not autobiographical, is not dedicated to anyone and doesn’t dabble in apposite expression. it is much more a matter of raising to consciousness the lovely effects, the way they are created. large emotions, (not emotionalisms) are intensified through self observation. one can learn from baudelaire that what withdraws itself appears more beautiful and provokes longing. the piece could as easily have been called "competing correlations". but one of my concepts for improvisation is already called that (whereby simple rhythms should never be clear, to which tempo they belong, whether single beats are stressed or unstressed, whether rhythms are discrete, polymetric or meant as a sum); what’s more an entire group of works can be so titled, and even more generally, a method of composition and analysis. the sextet is split into solo (oboe) duo (alto flute and violin) and trio (bass clarinet, viola and violoncello), although the spatial separation is less significant than the temporal: the three groups of the ensemble almost always play in different, gradually changing tempi.
mathias spahlinger, trans. joanna king, john winbigler
043
konzepte und varianten
(concepts and variants)
self publishing
konzeptuelle musik kann in ihrer reinsten und extremsten form aus einer einzigen idee bestehen, erfunden in einer sekunde, niedergeschrieben in einer minute und aufgeführt in einer unendlichen dauer. "to be held for a long time" von la monte young und "poème symphonique für 100 metronome" von ligeti kommen diesem extrem nahe. der haken bei der sache ist nur: die idee muss von der art sein, dass sie einen beziehungsreichtum des erklingenden ermöglicht oder garantiert, sei es durch die entscheidungen der musiker oder automatisch und mechanisch (wie bei den 100 metronomen) der, unter beibehaltung der grundidee, durch eine ausgeschriebene partitur nicht übertroffen werden könnte. ist dies nicht der fall, muss das konzept in der ausführung näher bestimmt und in der dauer begrenzt werden.
alle konzeptuellen ideen sind miteinander verwandt - durch die idee des konzeptualismus. da sie offene formen hervorbringen, können alle, durch allmähliche veränderung, ineinander überführt werden.
043.01 ausgang (2010)
(exit)
for ensemble
duration: variable
premiere: berlin 2010
"ausgang" für ensemble beginnt mit einem endlos-kontinuum, einer schleife, die, in zwei phasen, aufwärts und abwärts, stufenlos immer wieder in ihren eigenen beginn mündet, um dann, nach ausführlichen einlassungen auf andere konzepte, einen ausgang zu finden.
043.02 rundweg (2010)
(round way)
for recorder, violin and violoncello
duration: variable
premiere: berlin 2010
from the series concepts and variants: in its purest and most extreme form, conceptual music can emerge from a single idea, come up with in a second, written down in a minute, and performed for an unending duration. “to be held for a long time” from la monte young and “poème symphonique for 100 metronomes” by ligeti come extremely close to doing this. but here’s the trick: the idea has to be of the sort that enables or guarantees – through the decisions of a musician, or automatically and mechanically (as in the 100 metronomes)—a wealth of sounding relations which, while retaining the basic idea through an written-out score, cannot be surpassed. if this is not the case, the concept must be more precisely determined in its execution and more delimited in its duration. all conceptual ideas are related to each other – through the idea of conceptualism. since they produce open forms, they can all be converted, through gradual transformation, into one another. “rundweg” for recorder, violin and cello run through, among other thing, the stations of klangfarbenmelodie (“sound-color-melody”), micro-intervals, upstairs/downstairs, and ends only seemingly with a reprise, namely one by the whole piece reveals itself overall as a loop, a circuitous path [rundweg].
mathias spahlinger, trans. seth brodsky
043.03 einräumung (2002)
3 simultan solos for violin, viola and violoncello
duration: at least 1'41
premiere: bremen 2003
043.04 pnw (2003)
for 8 violoncellos and 5 double basses
dauer: 0'31
046
asamisimasa-zyklus
for ensemble asamisimasa:
clarinet, drums, guitar, piano, violoncello
self-publishing
the asamisimasa cycle is a collection of eleven pieces that can be played separately or in different combinations, or indeed in a fixed order as an evening-length program. every conceivable size of instrumentation appears, from solo to sextet, in the most varied instrumental combinations. in two pieces an ensemble member stands in the foreground with soloistic tasks.
the durations of the pieces range from 3 to 15 minutes.
046.01 difference négligeable (2018)
for guitar and violoncello
duration: 4'
premiere: berlin 2023-03-22, asamisimasa
die tonumfänge der instrumente dieses duos sind sehr ähnlich; fast alle tonhöhen, die auf dem einen instrument möglich sind, sind es auf dem anderen auch. unterschiede der klangerzeugungsarten, der farben, der dynamischen verläufe und anderer eigenschaften, die außerhalb des traditionellen tonhöhen-satzes liegen, treten umso deutlicher hervor, bis aus jeder vernachlässigbaren abweichung ein unterschied ums ganze werden kann – die neue musik hat die fragwürdigkeit der prinzipiellen unterschiede zwischen gleich, ähnlich und verschieden bewusst gemacht.
046.02 faux faux faux bourdon (2016)
for bass clarinet solo with accompaniment (percussion, guitar, piano, violoncello)
duration: 12'
premiere: darmstadt 2016-08-12, asamisimasa
order in one respect creates disorder in every other.
probably one of the oldest, and certainly the simplest conceivable form of polyphony, is the drone, the accompaniment of a melody by the sustained tonic of the scale, often with the fifth and the octave added; the melody notes, depending on their positions in the scale, fluctuate between consonance and dissonance in relation to the drone. An approach that may strike us as tautological and superfluous, as the accompaniment simply shows the frame of reference of which the musician or listener must be aware anyway if they are to understand the melody notes in relation to the system of perception. under the conditions in which this musical practice came into being, then, things cannot have been as clear as they became in modern Europe after the reduction of available scales to major-minor tonality.
in a certain sense, fauxbourdon, the false (bass) drone, constitutes a reversal of this situation. here too, one organizing principle is rigorously followed while another – contrapuntal thinking, the independence of the different voices – is neglected for short or sometimes extended sections. the melody notes are underlaid with unchanging chords, usually comprising a fourth and a third. such crudities have kept their cheeky freshness (with abandonment and return to counterpoint, and later function harmony) over the centuries, extending beyond beethoven to gershwin.
these parallel first inversion chords are tonal, they provide major and minor thirds, perfect and false fourths, and affirm the scale.
faux fauxbourdon could mean an approach where, as with parallel chords, the chords are transposed literally, without consideration for pitches outside the scale; or which, going further, uses atonal chords in parallel.
in faux fauxbourdon the bass clarinet is (almost always) the soloist. it plays false melodies – false because they are not tonal and (though clearly rhythmic) are not tied to any meter. the other instruments over- or underlay the bass clarinet with non-tonal parallel chords. the principles on which these chords are based are constantly violated or replaced by others.
paul valéry was right: “deux dangers ne cessent de menace le monde; l’order et le désordre” (there are two dangers that do not cease to threaten the world; order and disorder).
mathias spahlinger (trans. wieland hoban)
046.03 flashback (mit rückschaufehlern) (2017)
trio for quarter-tone instruments:
two vibraphones, quarter-tones tuned against each other),
electric guitar (quarter-tone) and
piano plus keyboard (quarter-tones tuned against each other)
duration: 7'
premiere: berlin 2023-03-22, asamisimasa
ein ohrwurm ist noch kein traumatisches symptom. aber manche stellen bei beethoven (der hier zitiert wird), nicht anders als von hegel oder hölderlin (alle drei waren 1789 19-jährig) erinnern dringlich an das anfänglich umstürzlerische potential des bürgertums. besonders, wo die widersprüche kulminieren und so festgehalten werden, dass sie erzittern: "explosante fixe". einer traditionspflege zum trotz, die abschleift, durch gebrauch zivilisiert und durch verharmlosende erinnerung zum kulturgut, zum besitz herabwürdigt.
046.04 un-umkehr (2019)
for clarinet, drums, guitar, piano and violoncello
duration: 3'
ua: berlin 2023-03-22, asamisimasa
unsere vorstellungen von umkehrung in der musik sind durch die schriftlichkeit bestimmt. unter A-B-A-form versteht man selbstverständlich die abfolge von teilen als einheiten, die aber, intern, in gleicher richtung gespielt werden; andernfalls müsste, ab der mitte von B, der rest des stückes rückwärts gelesen werden.
bei der (über jahrhunderte) kleinsten größenordnung, den tonhöhen, erwartet niemand, dass in original, krebs, umkehrung (von oben und unten der intervalle) und umkehrungskrebs mit der reihenfolge der tonhöhen auch deren ein- und ausschwingvorgänge gemeint sein könnten. ein rückwärts ablaufendes tonband macht klar, dass dieser "physikalisch getreuesten" umkehr in der zeit nicht die größte ähnlichkeit mit dem original und die höchste wiedererkennbarkeit zukommt.
so ist bis heute die entscheidung für umkehrungen in der musik in jeder hinsicht an deren ausdehnung in der zeit gebunden und die vermischung von größenordnungen bringt das erfreulichste und fruchtbarste durcheinander hervor.
046.05 doppelt und dreifach determiniert (2017)
for drum solo (5 tomtoms)
duration: 12'
premiere: berlin 2023-03-22, asamisimasa
für unsere taditionellen vorstellungen von musikalischem zusammenhang ist wohl die zeitordnung die bestimmendste gewesen: die abfolge der klangereignisse, das vorher und nachher (von melos bis form und dramaturgie) und das zugleich, also das zeitmaß für takt, metrum und rhythmus, das für musiker und hörer verbindliche tempo, das synchronität von aufführung wie wahrnehmung für musiker und hörer reguliert.
mit der "geschichtlichen tat" der erfindung von atonalität sind alle voraussetzungen des systems musik in frage gestellt; gleich, ähnlich und verschieden ebenso, wie vorher/nachher beziehungsweise synchron.
drei anschläge definieren ein tempo. nicht nur, wenn sie als puls, in gleichen abständen oder dauern aufeinanderfolgen. auch anschläge mit einfachem rhythmus oder dauern z. b. im verhältnis 3:1:2 (der punktierte rhythmus) definieren zugleich takt, metrum, rhythmus.
wird ein solcher rhythmus (z. b. in drei stimmen) gleichzeitig in drei unterschiedlichen tempi oft wiederholt, und laufen diese drei tempi nicht lediglich nebeneinander her, sondern sind so aufeinander bezogen, dass immer wieder bis zu drei anschläge aus den unterschiedlichen tempoebenen zusammentreffen müssen, eben auch solche, die in ihrem jeweiligen tempo die dauern 1, 2 oder 3 besitzen, sodass sie aber nicht bloß quantitativ verschieden sondern wesentlich verschieden sind, denn sie sind im rhythmus 3+1+2 in ihrer stellung im metrum bestimmt, so kann man (mit hegel) sagen: "die denkende vernunft spitzt den abgestumpften unterschied des verschiedenen, die bloße mannigfaltigkeit der vorstellung, zum wesentlichen unterschiede, zum gegensatze zu."
046.06 double (2018)
for clarinet, drums, guitar, piano and violoncello
duration: 15'
premiere: berlin 2023-03-22, asamisimasa
die bezeichnung double kam mir als kind kurios vor: die praxis, die ich aus der französischen klaviermusik des 17./18. jahrhunderts kannte, einen tanzsatz im 4/4-takt notengetreu am ende zu wiederholen, aber im 3/4-takt.
hier dagegen sind alle rhythmisch/metrischen verhältnisse (von doppelt und dreifach determiniert) völlig identisch. nur das tempo ist reduziert, um in der instrumentation größere freiheiten zu erlangen.
046.07 nachtstück mit sonne (2014)
(nocturne with sun)
for ten-string guitar solo with accompaniment (clarinet, percussion, piano, violoncello)
duration: 17'
premiere: oslo 2015-09-14, asamisimasa
the title [nocturne with sun] is not an allusion to the midnight sun.
in beckett’s plays we can recognize our experience of how, in modernity, tragedy and comedy are at times so close to each other as to be indistinguishable, and that the one can turn into the other. things are not quite so serious here. but there is a parallel in new music: when tonal models became questionable, so did the expressive topoi. with the title i wanted to prevent the impression that the relative compositional simplicity at the start of the piece signaled something like a character piece, dispensing with any contrasting or entirely unexpected elements.
my concern was to let the principle of separation between solo and accompaniment emerge only gradually from the possibilities of the 10-string guitar to take a path of its own, one which the “accompanying” instruments could not simply follow: unfolding the incredible multiplicity and sonic quality of harmonics possible on this instrument.
mathias spahlinger (trans. wieland hoban)
046.08 still/moving (2015)
for clarinet and violoncello
duration: 8'
premiere: oslo 2015-09-14, asamisimasa
what is the right shelf for a book on social psychology? the sociology shelf, or rather psychology? buridan’s ass famously starved to death between two haystacks, unable to decide on which side it should start feeding. perhaps the solution lies in the middle, in the sense that after one begins reading, it transpires that the book in question reflects on the thematizing categorial boundaries, determinately negates and sublates them.
competing assignments can be found everywhere in new music. atonality, the initial fall, is probably no more or less than a clever arrangement of notes which makes it impossible for the perception to assign them to a particular key.
it is easy to demonstrate an analogous phenomenon in the rhythmic-metric domain. two musicians alternate in playing a regular pulse with a constant dynamic level, duration and articulation; the slightest change in these properties influences the possible or impossible metric assignment. instead of deciding to follow the one or the other, a third type results: ametricism. it is not based on irregularity in time (stockhausen’s “noise rhythm”), but rather the determinate negation of certain metric conditions.
in traditional music, the progress of musical time was tied to the harmonic syntax, along with meter, arsis and thesis, as well as the distinction between harmonic and non-harmonic pitches. this can give the impression that in music which determinately negates meter in the manner hinted at, musical time moves undecided across the categorial divide – not forwards, however, but rather between stasis and movement.
mathias spahlinger (trans. wieland hoban)
046.09 don’t kill me, i am beautiful (2019)
for bass clarinet, small drum, piano and violoncello
duration: 4'
premiere: berlin 2023-03-22, asamisimasa
046.10 nahe null (2019)
for clarinet, drums, guitar, piano and violoncello
duration: 12'
premiere: ultima oslo contemporary music festival 2022-09-23, asamisimasa
in traditioneller musik ist konventionell geregelt, was als gleich, ähnlich oder verschieden gilt; auch in stilen, in denen bei wiederholungen üppigere verzierungen üblich waren, wurde die grenze zur variation nie überschritten.
wenn konzepte von neuer musik auf permanenter wiederholung und minimaler veränderung (nahe null) basieren, kann diese mit jener verwechselt werden.
gelegentlich verstehen wir musik ganz anders, wenn wir nachträglich erfahren, von wem sie stammt – also: wer wohl was intendiert hat.
der "treffende ausdruck" und die personalstile sind schon lange eine fragwürdige kategorie.
046.11 k141 (2018)
for piano solo
duration: 5'
premiere: berlin 2023-03-22, asamisimasa
unsere vorstellung von virtuosität hat sich mit der romantik, dem klavierbau und den größeren konzertsälen radikal verändert. wer glaubt, dass die "große klaviertechnik" allein, an chopin und liszt geschult, immerhin ausreicht, scarlatti zu spielen, möge es versuchen.
046.z kuboå (2015)
for voice, clarinet, percussion, guitar, piano and violoncello
duration: 4'
in hunger von knut hamsun wird das problem thematisiert*), dass eine privatsprache, die nur ihr erfinder selbst versteht, ein widerspruch in sich wäre, dass aber umgekehrt, sprache, die nur bei dem verbleibt, was sich von selbst versteht, zur selbstreflexion nicht taugt, dass nur ein sprechen, das um worte ringt, bisher ungesagtes, undenkbares zur sprache bringen kann.
die sechs musiker spielen asynchron, handeln jeder in sechs abschnitten unterschiedlicher längen modelle von "sprachfindung" ab. wiederholungen, varianten, kombinatorik, permutation, sozusagen um dem material sinnverschiebung oder bedeutungswandel abzugewinnen, um einzukreisen, was die musik bedeuten könnte.
*) plötzlich knipse ich mehrere male mit den fingern und lache. zum teufel auch! - ha! ich bildete mir ein, ein neues wort gefunden zu haben. ich richtete mich im bett auf und sagte: das gibt es in der sprache noch nicht, ich habe es erfunden, kuboå.
ich selbst hatte das wort erfunden und war deshalb in meinem guten recht, es bedeuten zu lassen, was ich nur wollte.
knut hamsun, hunger, suhrkamp verlag 1965, s. 76f.